Dr. Strunz zu Tryptophan
Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 25. März 2015
Seit nunmehr 15 Jahren durchforste ich das Gros der Veröffentlichungen über das richtige Essen. Einige Autoren waren nach meinem Eindruck besonders erfolgreich in der Verbreitung gut abgesicherter Erkenntnisse. Zu denen gehörte immer der bekannte Spoertmediziner Dr. med Ulrich Strunz, über den ich in meinen eigenen Beiträgen und Büchern immer wieder sehr lobend gesprochen habe.
Nach der Lektüre seinen letzten Buches „warum macht die nudel dumm ?“, Untertitel: „leichter, klüger, besser drauf: no carbs und das geheimnis wacher intelligenz“, Heyne 2015, 256 S., 16,99 €, gelesen habe, habe ich mich im Geiste aus der Liste seiner Fans austragen lassen.
Wenn er es beim Thema Tryptophan nur nicht so unglaublich locker-flockig genommen hätte!
Ich will in diesem Beitrag nicht das ganze Buvh rezensieren, besonders will ich hier nicht umfänglich kritisieren, dass Dr. Strunz sich mit der Verteufelung jeglicher Nudelgerichte aus dem richtigen Ansatz der Ablehnung vitalstoffarmer und nur kaloreinreicher Lebensmittel heraus sich den Bösewicht erst selbst aufbaut, den er dann abzuschießt. Wer genügend von wirklich inhaltsreichen Lebensmitteln zu sich nimmt, darf sich auch leckere Nudelgerichte erlauben, ohne befürchten zu müssen, dass er deswegen blöd oder gar dement wird. Dazu in einem späteren Beitrag mehr.
Ich kann mich ganz beschränken auf die Aussagen auf S. 28 und 29 des Buches, in dem Dr. Strunz die Allerweltsaminosäure Tryptophan zum Wundermittel macht. Da wundert es mich doch sehr, dass er in seinem Internetshop unter den vielen m.E. sündhaft teuren und praktisch meist überflüssigen Aminosäurepräparaten nicht eines mit einem Schwerpunkt bei Tryptophan hat.
Seite 28:
„Raus aus der Achterbahn!“ überschreibt er das Tryptophan-Kapitel. Dr. Strunz erklärt, dass wir eine bisher wenig beachtete „Stimmungsachterbahn“ im Körper hätten. Wörtlich:
„Unser Immunsystem sitzt hauptsächlich im Darm. 95 % des Glückshormons Serotonin werden genau hier hergestellt. Wenn wir aber unseren Darm mit Gluten unter Beschuss nehmen, also viel Weizen essen, dann reagiert er mit Entzündungen. Die will er natürlich loswerden und dazu braucht er Tryptophan. Er nimmt sich also soviel Tryptophan wie möglich, um die Entzündungen zu heilen. Der Effekt: Tryptophan fehlt für die Prdouktion von Serotonin.“
Er beschreibt dann die vielen Schäden durch den Serotoninmangel im Körper (Rheuma, Neurodermitis, Morbus Crohn) und im Gemüt, z.B.depressive Verstimmungen und Heißhungerattacken. Die „Fressattacken“, meinte er, könnten dem Zweck dienen massiv Zucker aufzunehmen und dadurch den Serotoninspiegel nach oben zu drücken.
Kann es sein, dass er ausschließlich Leser ansprechen will, die bereits durch den Verzehr der inkriminierten Nudeln total verblödet sind? Die zudem Weizen essen, obwohl sie Gluten nicht vertragen? Wenn sie es nicht sind, merken sie doch, dass hier Begriffe mit der schlichten Behauptung aneineandergereiht werden, dass eines ursächlich aus dem anderen folge.
In der Kette Immunsystem- Darm- Glückshormon Serotonin- Gluten – Entzündungen -Tryptophan ist keines der Glieder intakt:
(1) Das Immunsystem wird nach allgemeiner Meinung wirklich zu sehr großen Teilen durch die Darmbakterien aufgebaut. Aber was hat das mit Serotonin und insbesondere mit seiner Funktion als Glücksbringer zu tun?
(2) Dr. Strunz unterscheidet hier überhaupt nicht zwischen dem Serotonin als Gewebshormon, das auch bei der Vedauung präsent ist, und dem Gehirnbotenstoff Serotonin, der im Gehirn selbst gebildet wird und allein dort seine stimmungsaufhellenden und sonstigen mentalen und psychischen Wirkungen ausübt.
(3) Es wird überhaupt nicht klar, dass nur wenige Menschen kein Gluten vertragen. Suggeriert wird, dass der Darm jedes Menschen sich entzünde, wenn er Weizen isst, weil dieser das Klebereiweiß enthält.
(4) Der nächste „Klops“ ist, dass Tryptophan die Entündungen im Darm beseitige. Woher hat er das denn? Geradezu phantastisch ist die Schlussfolgerung, dass durch den Kampf gegen die Entzündungen Tryptophan so stark verbraucht würde, dass für den Aufbau von Serotonin nicht mehr genug da sei und damit die körperlichen und zentralnervösen Schäden durch das Fehlen von Serotonin zu erklären sind!
Seite 29:
Jetzt erklärt er auch noch, dass es das richtige und das falsche Tryptophan gibt. Angeblich hat man das im Gehirn von Ratten festgestellt., denen man fünf verschiedene Eiweißquellen zum Futter gab:
Mais (schlecht),
Käse (schlecht),
Weizen (schlecht) ,
Soja (neutral) und
Milch (gut).
Ich kann nur raten, sich diese Rangfolfe nicht zu merken, da die Richtigkeit dieser Sachen alles andere als gesichert ist.Im Gegenteil!
Dr Strunz gibt an, dass man je nach Grundstoff bis zu achtmal mehr Tryptophan wie auch Serotonin im Gehirn der Ratten gemessen hätte.
Generell unterstellt er, dass man nur für viel Tryptophan sorgen müsse, um auch viel Serotonin zu bekommen, auch im Gehirn. Deshalb solle man tryptophanreich essen – nach seinen Informationen am Ende eigentlich nur Milch und in Grenzen auch Soja. Da kann ich nur sagen: „Öfter mal was Neues!“ Wie will man bei den Lesern noch Spannung erzeugen nach Trennkost, Low-Fat und Low-Carb?! Jetzt also Eiweiss nur über Milchprodukte? Ich höre schon den Aufschrei der klugen Veganer!
Unterstellt, dass die namentlich nicht benannte Studie wirklich die richtigen Fragen gestellt, richtig gemessen und sogar die Ergebnisse richtig geschlussfolgert hätte, kann man der Allgemeinheit solch eine Information ohne Hinweis auf die Quelle vorsetzen, die schon seit fast zwei Jahrzehnten ständig darüber hört, dass sich Serotonin im Gehirn eben nicht aus seinen Bausteinen zusammensetzt, wenn nur genug von allem da ist? Das halte ich für völlig undiskutabel, wenn es wie hier um so fundamental wichtige Dinge geht.
Ich bin allerdings der Meinung, dass ein tiefer Einstieg in all den Studienrummel nicht als eine für den Durchnittlsleser verwertbare Gesundheitsinformation taugt. Aber wenn durch eine angeblich so tolle Studie die Welt auf den Kopf gestellt werden soll,sind ein Hinweis auf die Quelle und eine Erläuterung der Plausibilität der Ergenisse unverzichtbar!
Im Rattenexperiment konnte man die Level an Tryptophan und Serotonin im Gehirn nicht anders messen als durch Lumbalpunktionen oder durch die Entnahme von Liquor nach dem Töten aller Tiere nach jedem Schritt der Untersuchungen. Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, dass diese seltsame Studie in die Gruppe der mehr als 80 % der medinzinschen Studien gehört, die sich als schlampig gemacht und im Ergebnis einfach falsch erweisen.
S. dazu http://www.essenspausen.com/kulinarische-koerperintelligenz-statt-studienrummel/ und http://www.essenspausen.com/kulinarische-koerperintelligenz-statt-studienrummel/